Die Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) breitet sich in vielen landwirtschaftlichen Kulturen aus. Vor allem mehrjährige Kulturen sind von dem kleinen Insekt bedroht. Betroffen sind vor allem Spargelkulturen, Kartoffeln und Zuckerrüben. Die Schilf-Glasflügelzikade ist ein kleines fliegendes Insekt, dessen Nachkommen (Nymphen) im Winter im Boden überleben. Sie saugen dafür an Ernteresten oder an den Wurzeln der Winterkultur.
Die Nymphen dieser Insekten kann man daran erkennen, dass sie meist einen weißen Federbusch am Hinterleib tragen. Die erwachsenen (adulten) Schilf-Glasflügelzikaden fliegen ab Mai in die Wirtspflanzenbestände ein. Die Flugzeit der erwachsenen Zikaden beginnt im Frühsommer und endet im August. Die Zikade saugt an Pflanzenteilen und schädigt Kartoffeln und Zuckerrüben durch Übertragung bakterieller Krankheitserreger.
Ein Bakterium bedroht die Ernten
Diese lösen das „Syndrom der niedrigen Zuckergehalte (SBR)“ aus, das auch als „Gummikartoffeln oder „Gummirüben“ oder als Stolbur bekannt ist. Der Erreger der Stolbur-Krankheit ist das zellwandfreie Bakterium „Candidatus Phytoplasma solani“. Es lebt und vermehrt sich in den Nährstoffleitbahnen von Pflanzen (Phloem) sowie in einer Körperflüssigkeit der Insekten (Hämolymphe). Die Erreger sind für den Menschen ungefährlich und auch Gummikartoffeln oder solche mit verbräunten Leitbündeln können bedenkenlos verzehrt werden.
Die Qualität der Erdfrüchte sinkt, und die Ware wird immer schlechter vermarktbar. Eine wirtschaftliche Katastrophe für die Bauern. Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat ( BMLEH) informiert zur Bekämpfung und zur Vorbeugung gegen den Befall: Schilf-Glasflügelzikade als Überträger bakterieller Krankheitserreger.
Notfallzulassungen für die Bekämpfung
Das dem BMLEH unterstehende Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat bereits am 31. März 2025 auf Grundlage des Artikels 53 der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung nach umfangreicher und sorgfältiger Prüfung Notfall-Zulassungen für mehrere regulär zugelassene Pflanzenschutzmittel für weitere Anwendungsgebiete für einen Zeitraum von 120 Tagen zugelassen. Das bedeutet: Bauern können In enger Absprache mit den Pflanzenschutzdiensten der Bundesländer die in einer Liste aufgeführten Pflanzenschutzmittel auf genehmigten Flächen ausbringen.
Alle im Rahmen dieser Notfallzulassungen zugelassenen Mittel dürfen nur nach vorherigem amtlichen Warndienstaufruf der zuständigen Behörden angewendet werden. Diese Warndienstaufrufe basieren auf Monitoringdaten, die flächendeckend erhoben werden. — Allgemeine Informationen zu Notfallzulassungen sowie Datenblätter veröffentlicht das BVL auf der Internetseite „Zulassungen für Notfallsituationen„
Berufsimker protestieren gegen Notfallzulassungen
Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund e.V. protestiert scharf: „Ausgerechnet Acetaprimid, das 11.000 mal giftiger ist als gedacht, wurde zusammen mit anderen Mittel jetzt über Notfallzulassungen erneut erlaubt. Die als Alzheimer-Pestizide bekannt gewordenen Neonicotinoide dürfen auch bei Kartoffeln und in Kürze wohl auch bei anderen Gemüsesorten gespritzt werden. So gelangen sie in viele Nahrungsmittel – Imker fürchten um das Leben ihrer Honigbienen. Der DBIB, BUND Naturschutz Bayern und BNL kritisieren die Zulassungen scharf.“
Das Bündnis für Neonicotinoidfreie Landwirtschaft (BNL) kritisiert ebenfalls: „Eine Pestizidbehandlung und damit eine Gefährdung der Umwelt und unserer Lebensmittel wäre überhaupt nicht erforderlich, wenn eine vernünftige Fruchtfolge eingehalten würde, die den Lebenszyklus der Zikade stört. So mindert der Verzicht auf Wintergetreide nach Zuckerrüben und Kartoffeln den Befall wesentlich, wie eine Studie der Berner Fachhochschule zeigt.“
Auf über 125.000 Hektar soll in dieser Saison gespritzt werden. Aufgrund der zu erwartenden massiven Abdrift wird aber eine weit größere Fläche von geschätzt über 500.000 Hektar betroffen sein. Zudem werden mehrfache Behandlungen empfohlen. Damit ist ein regelrechter ökologischer Kahlschlag in der Insektenwelt zu befürchten. Und auch Menschen sind direkt gefährdet, wenn Spaziergänger mit ihren Hunden oder spielende Kinder mit gespritzten Pflanzen in Kontakt kommen. Deshalb der Rat: „Wer einen Ackerschleppe mit Sprühgerät beobachtet, sollte sich schleunigst gegen den Wind wenden und das Weite suchen.“