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Videokonferenz: EU-Datenschutz beachten!

Videokonferenzen mit Datenschutz

Von Michael Springer

Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf hat am 22.11.2021 presseöffentlich zur „44. Öffentlichen Sitzung der Seniorenvertretung am 01.12.2021“ eingeladen.

Wegen der Corona-Pandemie findet diese wichtige Sitzung als „Video-Konferenz mit Zoom“ statt. — Auch eine Teilnahme per Telefon wird ermöglicht.

Die „Digitalisierung der Arbeit der Seniorenvertretung“ scheint damit weit fortgeschritten zu sein.

Erster Tagesordnungspunkt ist die „Begrüßung und Prüfung der Beschlussfähigkeit“.

Spätestens bei TOP 1 sind jedoch schwerwiegende Fragen aufgeworfen:

  • Haben wir es überhaupt noch mit einer „Öffentlichkeit“ zu tun, wenn Senioren im ganzen Bezirk verteilt vor ihren Bildschirmen und an Telefonen sitzen?
  • Ist der Begriff „Öffentlichkeit“ im Sinne von Recht, Gesetz und Geschäftsordnung im demokratisch verfaßten System als „Sitzungsöffentlichkeit“ zu verstehen, an der alle gewählten und stimmberechtigten Mitglieder der Seniorenvertretung in gleicher Weise, am gleichen Ort teilhaben?
  • Sind unterschiedliche Geräte-Zugänge überhaupt mit den Zielen des Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz (BerlSenG) vereinbar?
  • Wie sieht es mit dem Datenschutz und dem rechtskonformen Betrieb der ohne Aussschreibung und Vergaberegelung einwählbaren Videokonferenzlösung aus, die einem US-Unternehmen gehört?

Erst am 16.8.2021 hat die Senatskanzlei vor dem Einsatz von „Zoom“ formal gewarnt — allerdings in Hamburg! —

„Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) hat die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) offiziell gewarnt, die Videokonferenzlösung von Zoom Inc. in der sog. on-demand-Variante zu verwenden. Dies verstößt gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), da eine solche Nutzung mit der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA verbunden ist. In diesem Drittland besteht kein ausreichender Schutz für solche Daten. Dies wurde durch den Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Schrems II bereits vor über einem Jahr (C-311/18) festgestellt und das bis dahin geltende Privacy-Shield als Übermittlungsgrundlage außer Kraft gesetzt. Ein Datentransfer ist daher nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, die bei dem geplanten Einsatz von Zoom durch die Senatskanzlei nicht vorliegen. Die Daten von Behördenbeschäftigten und externen Gesprächsbeteiligten werden auf diese Weise der Gefahr einer anlasslosen staatlichen Massenüberwachung in den USA ausgesetzt, gegen die keine ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen.“

Der europäische Datenschutzausschuß (EDSA) hat klare Vorgaben formuliert, um personenbezogene Daten im Einklang mit der DSGVO in ein Drittland wie die USA übermitteln zu können.

Die Berliner Senatskanzlei setzt übrigens auch auf Zoom, und stellt sich damit gegen die Empfehlungen der scheidenden Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczik, ihre Amtszeit endete am 27. Oktober 2021. Smoltczik hatte im Frühjahr 2021 gewarnt: „Bequemlichkeit kann nicht die Verletzung von Grundrechten rechtfertigen.“


Videokonferenz-Software: eine Schlüsseltechnologie der Demokratie und der Europäischen Union

Videokonferenzsoftware gehört zu den wichtigsten Schlüsseltechnologien, insbesondere wenn es gelingt, Datenschutz, Mehrsprachigkeit und Übersetzungen in Echtzeit in Systemlösungen zu integrieren.
Die wichtigsten gesetztlich geregelten Anforderungen zum Datenschutz sind möglichst datensparsame Voreinstellungen bzw. Einstellungsmöglichkeiten („Privacy by Default“) und datenschutzfreundliche Technikgestaltung
(„Privacy by Design“) gewählt werden. Diese in Art. 25 DS-GVO niedergelegten Ziele sind auch mit dem Schutz von eigenen und fremden Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Informationen.

Wie problematisch der fehlende Datenschutz bei Videokonferenzsystemen ist, zeigt ausgerechnet die Affäre um das EU-Projekt ELITR (European Live Translator): „EU-Schlüsseltechnologie noch im laufenden F+E-Projekt an Zoom verkauft.“

Für die beteiligten mittelständischen Projektpartner ist es ein Rückschlag, der wichtige Monate und möglicherweise Jahre Entwicklungszeit kostet, in denen der US-Konkurrent zum Börsenriesen heranwächst.

Förderung von Börsenwerten in USA — statt EU-Digitalpolitik

Gefördert wird Zoom auch durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), der zum Digitaltag 2020 nur Lösungsanbieter aus den USA und der Schweiz empfiehlt — und keine einzige deutsche Systemlösung oder das europäische Excellenz-Projekt erwähnt.

Auch Dank der Intervention und Unterstützung (u.a.) von Bundespräsident, Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD, deutschen Parteien, Partei-Stiftungen, Bundesregierung und einzelnen Ministerien — sowie durch die Berliner Senatskanzlei — ist die Marktkapitalisierung von Zoom inzwischen auf über 110 Mrd. US-Dollar gestiegen, bei einem Umsatz von 2,7 Milliarden USD (2021).

Zoom ist damit regierungsamtlich und EU-rechtswidrig durch Empfehlungen gefördert worden — inzwischen fasr uneinholbar für den europäischen Mittelstand.

Ein kaum wieder reparierbarer Schaden für die Europäische Union ist entstanden, auch für die politisch leidenschaftlich immer wieder geforderte „Digitale Souveränität.“ — Vor allem aber entsteht ein enormer wirtschaftlicher Schaden, der im Marktvolumen die gesamte Digitalförderung für den deutschen Mittelstand übertrifft. — Gute Digitalpolitik ist das nicht — und gute Arbeit kann so auch nur jenseits des Atlantik entstehen!


Einfach.SmartCity.Machen: Berlin! — Das Mediennetzwerk Berlin setzt auf eine EU-First-Politik bei der Auswahl und Verlinkung von Videokonferenz-Systemen. Die technologische Roadmap und empfohlene Systeme müssen den Empfehlungen von EDSA und den Empfehlungen des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entsprechen. Videokonferenzen mit Zoom werden nicht mehr aktiv verlinkt.
Mehr Informationen: info@anzeigio.de